Kapitel 6 - veröffentlicht -




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Kapitel 6 - veröffentlicht -

Beitragvon readonly1956 » Di 15. Sep 2009, 21:04

Trotz der Strapazen des vorhergehenden Tages fand Jim diese Nacht nur wenige Stunden Schlaf. Er war davon nicht sonderlich überrascht. Medikamentöse Behandlungen hatten meist einige eigenartige Auswirkungen auf ihn - typischerweise unkritische, aber dennoch eigenartige. Üblich waren Einschlafprobleme. Versuchsweise beugte er seine linke Hand und fühlte einen kurzen stechenden Schmerz, jedoch nicht so schlimm wie vorher. Es war fast wieder beim Normalzustand. Er hatte höllische Kopfschmerzen, aber ansonsten ging es ihm anscheinend bedeutend besser. Zerknittert, unbehaglich, aber besser.

Er kletterte ungeschickt aus dem ungewohnten Bett und mit einem verwunderten Blick nach rechts bemerkte er, dass Spocks Bett sorgfältig gemacht war und vollkommen unbenutzt aussah. Neugierig machte er sich auf den Weg aus dem Zimmer und fand im nächsten seinen eigensinnigen Ersten Offizier im Schneidersitz auf einer Matte sitzend, sein Rücken ihm zugewandt, das Licht gedämpft, ein paar Kerzen trugen zum Ambiente bei. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er denken können, der Aufbau sei für ein heißes Date. Aber offensichtlich war das nicht der Fall.

Jim zögerte für einen Moment, hin- und hergerissen zwischen Neugier und Unschlüssigkeit. Neugier siegte so wie meistens. ”Hey, Spock,” rief er, halb flüsternd aus eher instinktiven als praktischen Erwägungen. “Was machen Sie da?”

Es gab eine lange Pause. Für einen Moment fragte er sich, ob er absichtlich ignoriert wurde oder ob Spock ihn vielleicht nicht gehört hatte. Aber dann bekam er eine Antwort; der Ton vermittelte unterdrückte Gereiztheit. “Ich versuche zu meditieren,” sagte Spock, die Andeutung von 'und du verdirbst es' schwang in dem Satz unmerklich mit. Jim erstarrte bei seinem Tonfall.

“Oh,” erwiderte er angespannt. “Entschuldigung. Ich werde einfach – ich werde Sie mal machen lassen, denke ich.” Er wunderte sich, wie frustrierend und bedrückend es sich anfühlte, dass dieses ‚unfreundliche’ Verhalten Spock wieder erfasst hatte. Er nahm an, dass er noch größtenteils in derselben Stimmung war wie vor dem kleinen Zwischenfall letzte Nacht – er hatte sich wohl nur eingebildet, dass das Eis zwischen Ihnen zu brechen begann.

“…Warten Sie,” sagte Spock, als er sich umdrehte, um zu gehen.

Jim wartete.

“Ich…entschuldige mich, wenn mein Tonfall einer Anschuldigung gleichkam. Das war sowohl unangemessen als auch unverdient,” räumte der Halbvulkanier ein. Dann bewegte er sich aus seiner Meditationsposition heraus und erhob sich geschmeidig auf die Füße. Er drehte sich um. Wenn Jim keinen Grund gehabt hätte, es zu vermuten, wäre er niemals darauf gekommen, dass Spock mehrere Stunden auf dem Fußboden sitzend verbracht hatte. Er brauchte sich nicht einmal zu strecken.

“Es ist okay,” versicherte ihm Jim; er fühlte sich unwohl und verlegen. “Ich habe schon verstanden, ich hatte nur ein schlechtes Timing. So was passiert. Sie müssen deswegen nicht aufhören oder irgendwas.”

“Mein Fokus ist unterbrochen worden,” sagte Spock abweisend. Dann schaute er auf die Uhr in der Nähe. “Sie haben nur vier Stunden geschlafen. Das scheint mir unzureichend.”

Nun war es an Jim, abweisend zu reagieren. “Ich kann nicht mehr schlafen. Manchmal machen Arzneimittel komisches Zeug mit meinem Kopf,” erklärte er, erleichtert, aber ein wenig verwirrt, Spock wieder in ein unterschwellig eher umgängliches Verhalten gleiten zu sehen.

Er war unschlüssig, ob er eine Bemerkung dazu machen sollte - und entschied sich für den direkten Weg. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen?", fragte er frei heraus. Spock blinzelte. Er schien die Frage als etwas seltsam aufzufassen. “Mit allem nötigen Respekt, Jim, Sie waren derjenige, der letzte Nacht eine Körperverletzung erlitten hat. Ich wurde nicht verletzt,” hob er hervor.

„…Was?” fragte Jim, während er Spock ungläubig anschaute. Aber sein Erster Offizier war vollkommen ernst und aufrichtig. “Sie wurden nicht verletzt?”, wiederholte er. “Sehen Sie, Spock, Ich verstehe, wenn Sie lieber nicht daran denken wollen, aber ihre... ‚Verwandten’ haben Ihnen im Grunde genommen eine Hassbotschaft geschickt. Eine richtig aggressive Nachricht voller Hass. Was ich sagen will, es ist passiert. Ich habe die Nachricht gelesen. Sie können mir nicht erzählen, dass Sie das nicht verletzt hat.” Zum Teufel, es hatte Jim ‚verletzt’, und er war lediglich ein Außenstehender in dem ganzen Vorfall.

Spock warf ihm einen Blick zu, der in etwa als ‚in Betracht ziehen’ verstanden werden konnte. “Ich verstehe,” sagte er schließlich, wenngleich es vollkommen unklar schien, was er denn verstand. “Jim, obwohl mir klar ist, dass mein Verhalten an Bord der Enterprise während der Nero-Krise Ihnen einen falschen Eindruck von meiner Selbstkontrolle gegeben haben mag, waren dies außergewöhnliche Umstände. Es ist nicht einfach, mir emotionalen Schaden zuzufügen. Eine beleidigende Nachricht hat auf meine Stabilität nicht denselben Effekt, wie diese es bei einem gewöhnlichen Menschen haben würde.”

Jim sah ihn von oben bis unten an. Er erfasste den neutralen Ausdruck, die perfekte Haltung, die ordentlich gebügelte Kleidung, die sorgfältig gekämmten Haare. Absolute Ausdruckslosigkeit, selbst in seinen Augen. “Blödsinn,” sagte er mit Nachdruck.

Komisch. Dieses Wort schien im Zusammenhang mit Spock häufig zur Anwendung zu kommen.

Der Vulkanier machte den Mund auf, um etwas zu erwidern – wahrscheinlich um zu leugnen –, aber Jim unterbrach ihn. “Sagen Sie nicht, dass es nicht so ist. Ich kenne Sie womöglich nicht so gut, wie ich mir das wünschen würde, Spock, aber ich bin mir verdammt noch mal sicher, dass Sie nicht schlichtweg lügen bei Dingen, die keinerlei Auswirkung auf Sie haben.”

Ha, dachte er, als Spock zu zögern schien und ein wenig von seiner steinernen Haltung verlor. Hab ich dich. Wenn es dich nicht geärgert hat, warum dann abstreiten, dass es je passiert ist?

Zu seiner Verteidigung muss man sagen, dass Jim keine Ahnung hatte, welche Schuldgefühle Spock angesichts des Lügens hatte, und dass das nachträgliche Empfinden von Schuld nur noch intensiviert wurde durch die Scham, solche intensiven Gefühle durchzumachen. Er versuchte seinen Freund auf einem ausschließlich intellektuellen Niveau zu erreichen – mit Verhaltensanalyse. Der emotionale Aufruhr, den er damit unbeabsichtigt hervorrief, war nur ein unglücklicher Nebeneffekt.

Aber er bemerkte, dass es da eine Schwachstelle in seiner Argumentation gab. Spock hätte lügen können, um Jim davon abzuhalten, dass er ausrastete. Um zu verhindern, dass er genau das tat,was dann auch tatsächlich geschah – in einem Anfall von Zorn in der Nacht zu verschwinden. Beide wussten allerdings, dass Spock das nicht vorhergesehen hatte. Nun denn, wenn er versuchen sollte, seine Lüge zu relativieren, dann hätte dies mit einer weiteren Lüge sein müssen...und somit würde faktisch ein Gestrüpp an Lügen entstehen.

Spock erwies sich als klug genug, um sich nicht auf diesen Weg zu begeben. Er blieb stattdessen bei einem angespannten Schweigen.

“Ich verstehe,” sagte Jim schließlich und rieb sich mit einer Hand über die Stirn, um den pochenden Schmerz dort ein wenig zu lindern. “Ihnen geht es nicht gut. Das ist o.k. – wir müssen nicht darüber reden.” Er mochte nicht viel Erfahrung mit der Unterdrückung von Gefühlen bei Vulkaniern haben, aber Jim besaß zumindest so etwas wie männlichen Stolz, deshalb konnte er verstehen, wenn jemand nicht seine ganzen Probleme offengelegt sehen wollte. “Hilft meditieren?” fragte er stattdessen.

Nach einer kurzen Pause hob Spock den Kopf. “Ich habe immer meditiert zum Zweck der Ausrichtung meiner Emotionen. Es ist ein effektives Medium, um Klarheit zu erlangen,” gestand er.

“Ok, gut, nächstes Mal lassen Sie es mich einfach wissen, dann werde ich Sie nicht stören,” bot Jim an.

“Eine vernünftige Lösung,” pflichtete Spock bei. “Jedoch bezweifle ich, dass dies erforderlich sein wird. In Anbetracht dessen, dass wir bald getrennte Wege gehen werden, sollten solche Erwägungen nicht notwendig sein.”

Eine unangenehme Mischung aus Verwirrung und Kälte machte sich in Jims Bauch breit. “Was?”, fragte er, unfähig auf Anhieb einen zusammenhängenden Satz zu entgegnen. Getrennte Wege? Was zum Teufel? Sie hatten noch vier Tage Urlaub, es sei denn die Computer-Crew ging alles sehr, sehr schnell durch, und danach müssten beide zurück zum Schiff.

Nicht wahr?

Spock schien sich an seiner eigenen Aussage nicht weiter zu stören. “Natürlich, Jim,” sagte er gleichgültig. “Wir haben Ihre Mutter besucht und Sie haben mich bei der Erkundung von weiten Teilen dieser Stadt begleitet. Wir haben unsere Pläne wie vereinbart umgesetzt. Es gibt für uns keine logische Veranlassung, weiterhin in Gesellschaft des anderen zu bleiben.”

“…”

“Ich werde mich selbstverständlich zum Dienst zurückmelden, sobald die Reparaturen am Computersystem des Schiffs abgeschlossen sind,” sagte Spock vollkommen gleichförmig und ernst, ohne eine Miene zu verziehen. “Indessen erscheint es mir vernünftig, zur Unterkunft zurückzukehren, die mir die Sternenflotte zugewiesen hat. Es gibt mehrere laufende Projekte, die von meiner Beteiligung profitieren würden.”

Er will weg, dachte Jim, tief geschockt von dieser vollkommen vernunftgemäßen Wende der Ereignisse.

Ja, was hast du denn erwartet? fiel eine seiner weniger angenehmen inneren Stimmen ein. Dass er seinen ganzen Urlaub damit verbringt, dich bei Laune zu halten?

Er versuchte die leise Stimme zu ignorieren, die nachdrücklich “Ja” erwiderte. Er hatte solch eine gute Zeit in Spocks Gesellschaft gehabt, dass er vergessen hatte, wie unsicher ihre Beziehung doch war. Was, wenn er sich das meiste nur eingebildet hatte? Spock war eine derart vielschichtig zu interpretierende Person, dass Jim klar wurde, er hatte vielleicht auch einfach seinen eigenen Wunsch nach Kameradschaft auf ihn projiziert. All diese kleinen, subtilen Dinge, die er geglaubt hatte zu sehen… was wäre, wenn die gar nicht wirklich da gewesen waren? Was, wenn er sich nur eingebildet hatte, Spock wäre jemand, in dessen Gesellschaft er sich wohlfühlte, indem er die durch sein natürliches Verhalten entstehenden Lücken mit Andeutungen und Hinweisen auf mehr ausgefüllt hatte?

Ich sehe keine Gespenster.

Der Gedanke trieb sich ungewollt in seinem Kopf herum. Das war seltsam abstrakt für seine gewöhnliche Denkweise, aber es fühlte sich richtig an. Er hatte diese Dinge nicht auf Spock projiziert – auch wenn er befürchtete, das er es getan hatte. Er weigerte sich zu glauben, dass er jemand anderen derart bösem Missverstanden-werden aussetzen konnte..

“Nein,” sagte er unvermittelt und verschränkte die Arme vor der Brust.

Spock zog daraufhin eine Augenbraue hoch.

“Nein,” wiederholte Jim. “Wenn Sie nach San Francisco wollen und den Rest von Ihrem Urlaub arbeiten, dann habe ich nichts dagegen. Aber ich komme mit Ihnen,” verkündete er resolut. “Ich habe viel zu viel Spaß mit Ihnen, um jetzt aufzuhören.”

Oh, Mist, was musste er sich hier in so eine prekäre Lage bringen. Aber er wollte Spock nicht gehen sehen. So einfach war das. Auf der Enterprise würden seine Gedanken ständig mit Aufgaben und Vorschriften beschäftigt sein, aber jetzt gerade, für diese paar Tage, hatte er die Gelegenheit, einen Einblick zu gewinnen in eine Person, die, wie er schnell festgestellt hatte, weit interessanter war, als er das vorher für möglich gehalten hätte. Vielleicht viel interessanter als irgend jemand sonst auf dem ganzen Schiff.

“Ich muss gestehen,” sagte Spock, “Ihre Definition von 'Spaß' scheint eine höchst verwunderliche zu sein.”

Jim lehnte sich gegen die Wand neben ihm und hoffte inständig, dass das Ganze ihm nicht um die Ohren fliegen und ihn vollends in einen Clinch mit seinem Ersten Offizier bringen würde, dennoch strahlte er nach Außen einen Anschein von Gelassenheit aus. Ha, Vulkanier sind nicht die einzigen, die das können, dachte er, bevor er sprach. “Wie meinen Sie das?” fragte er ausdruckslos.

Spock atmete kurz ein. “’Spaß’, so wie ich das verstehe, wird definiert als eine Aktivität, die man als angenehm unterhaltend empfindet. Bislang haben wir Ihre Mutter besucht – der gegenüber sie schon Gefühle von Unbehagen bekundet haben - , wir sind gewöhnlichen Tätigkeiten nachgegangen, die für Ihr terrestrisch geprägtes Empfinden wahrscheinlich alltäglich waren; wir haben eine Stadt erkundet, die für Sie eine geringe Bedeutung hat und mit der Sie wenig verbindet. Wir haben einen ungerechtfertigten Angriff überstanden. Keine dieser Aktivitäten scheint zu den spezifischen Faktoren zu passen, die Menschen als 'Spaß' erachten würden.

Jim spielte Theater und tat so als würde er über diese Erklärung nachdenken, langsam nickte er in übertrieben nachdenklicher Weise, als ob er es in Gedanken durchgehen würde. In Wahrheit bemühte er sich, seine Kopfschmerzen wegzuwünschen.

“Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen,” stimmte er nach einer Minute zu, während alle seine Hmms and Haas nichts bewirkten, als ein leichtes Brummen in seinem Schädel auszulösen. “Aber es war trotzdem Spaß. Also, vielleicht nicht der Teil mit dem 'ungerechtfertigten Angriff', aber der Rest hatte seine Momente,” ergänzte er. Und dann, weil er nicht anders konnte als zu fragen, platzte er hervor “Hat Ihnen gar nichts Freude bereitet?”

Spock sah ihn ausdruckslos an. “Freude ist eine emotionale Reaktion,” sagte er nachdrücklich. Jim rollte die Augen.

“Klar, ich weiß,” sagte er wohl ein wenig zu schroff, wodurch seine Abwehrhaltung deutlich wurde. “So ist das also? Wir spielen das 'Lass-uns-so-tun-als-ob-Spock-keine-Gefühle-hat’-Spiel?”

“Das ist kein Spiel,” widersprach Spock. Ironischerweise, angesichts des Diskussionsthemas, ließ er sich seine Gereiztheit anmerken. “Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie die Bedeutung der Unterdrückung von Gefühlen und innerer Stabilität verstehen. Offensichtlich sind Sie zur Selbstkontrolle auf so hohem Niveau nicht in der Lage,” dabei fauchte er ihn beinahe an. “Das ist die einzige logische Erklärung für Ihre ausgeprägte Unfähigkeit, auch nur einen Zeitraum von 24 Stunden zu überstehen, ohne den Zorn von jemand anderem auf sich zu ziehen. Sie selbst mögen sich den Luxus leisten können, in ihren Emotionen zu schwelgen, ohne eine Vorstellung von höherem Denken oder einer bewussteren Lebensweise zu haben, so wie ein ungebändigtes Tier unfähig ist, zwischen seinen Urinstinkten und seinem eigenen Intellekt zu unterscheiden, aber Vulkanier sind anders.”

Die letzten Laute des Satzes schienen nahezu schmerzvoll durch den Raum zu hallen, sie waren geprägt von einem unnatürlichen Ausmaß an Gehässigkeit.

Jim starrte Spock an und es war ihm bewusst. Er konnte es nicht ändern – er hatte Spock schon einmal ausrasten sehen, natürlich, aber das war ein heftiger körperlicher Ausbruch gewesen. Er hatte seine Wut mit den Fäusten geäußert, und offen gestanden, war das ein wenig einfacher zu verkraften gewesen. Ein Schlag in die Eingeweide? Kein Problem. Ein scharfer verbaler Angriff von seinem Ersten Offizier? Autsch.

Ich denke, ich weiß jetzt, was er wirklich von mir hält.

Sein Kopf wurde rot. Jim stieß sich von der Wand ab und fragte sich, warum er immer so ein verdammtes Pech zu haben schien, was das Schließen von Freundschaften betraf. Spocks Augen hatten sich geweitet, als die Stille zwischen Ihnen eintrat, tief und bedrückend. Aber warum sollte ihn das verwundern? Warum sollte es einen von beiden? Das war ja nur das, was alle dachten. Junger, dreister Captain Kirk, der mit allem schläft, was einen Rock anhat, der zuerst schießt und später Fragen stellt und der die Regeln gern mal beiseite schiebt. Der hat das kulturelle Verständnis von einem Holzklotz und das Feingefühl von einem Felsen.

Er drehte sich um, um zu gehen, raus aus dem Zimmer. Vielleicht sollte er sich einfach fertig machen und dann konnten er und Spock getrennte Wege gehen – so wie sein Erster Offizier zweifellos dazu entschlossen war, dies zu tun. Jim hatte keine Ahnung, wohin er von hieraus gehen sollte. Plötzlich sah seine Urlaubszeit so leer, langweilig und unerfreulich aus.

“Meine Äußerungen waren fehlerhaft und sind aus Verärgerung heraus gesagt wurden,” sagte Spock; die Worte brachen mit einer ungewöhnlichen Geschwindigkeit hervor, wie er so dastand mit an den Seiten verschränkten Händen. Jim konnte nicht anderes als ihn verblüfft anzuschauen, der plötzliche Stimmungswechsel war etwas irritierend. Der wütende Unterton war nun vollständig aus seiner Stimme verschwunden. “Sie waren offensichtlich unlogisch und schlecht durchdacht, sie beruhten auf Vermutungen und meiner eigenen Frustration. Ich entschuldige mich,” betonte er.

Alles was Jim tun konnte, war ihn verständnislos anzustarren. “…Was?” fragte er schließlich, plötzlich von dem Gedanken getroffen, dass es zu früh am Morgen war für diesen Mist.

Spock schloss seine Augen, kurzzeitig, er schien innerlich zu einer Art Schluss oder Erkenntnis zu gelangen. “Wie ich schon gesagt habe, Meditation hat mir immer geholfen, meine Gefühle zu kontrollieren. Allerdings… vulkanische Meditation erfordert traditionsgemäß den Einsatz der mentalen Konzentration auf den Planeten Vulkan als Fokussierpunkt. Aus naheliegenden Gründen ist dies nun keine geeignete Methode mehr,” erklärte er. “Es hat die Meditation schwieriger gemacht. Daraufhin sind viele meiner Bemühungen um Selbstkontrolle gescheitert. Das ist nicht Ihre Schuld. Sie haben lediglich ein passendes Ziel abgegeben.”

Jim dachte darüber nach. Er war immer noch gekränkt und beleidigt, er musste den Drang unterdrücken, sich einfach umzudrehen und zu gehen. Aber das aufrichtige Gefühl von Reue, welches Spocks Worte ausdrückten, hielt ihn auf, ebenso seine Erklärung für seinen Ausbruch. Was er gesagt hatte, hatte getroffen. Nicht weil es die schlimmste Art und Weise war, auf die Jim jemals beleidigt worden war – nein, im Vergleich dazu war es eine geradezu sanfte Andeutung. Nein, es war, weil Spock es genau zu einer Zeit gesagt hatte, als Jim geglaubt hatte, dass sie gerade begonnen hatten, sich gegenseitig besser zu verstehen.

Aber er konnte sich daran nicht festhalten. Es tut mir leid, sagte Spocks Körper aus, unmissverständlich, obwohl er immer noch aufrecht und starr dastand. Ich habe es nicht so gemeint, ich nehme es zurück.

Er seufzte.

“Also, das ist echt Scheiße,” sagte er mit einem Seitenblick auf Spock. Dann schnaubte er. Dann wurde das Schnauben zu einem kurzen Glucksen und er verbarg sein Gesicht in den Händen. Wir passen gut zusammen, stellte er fest. Wir sind beide total wirr im Kopf.

“Jim…” Spocks Stimme erstarb.

Jim tat seine Besorgnis mit einer Handbewegung ab. “Es ist o.k., Spock, ich verstehe schon. Entschuldigung angenommen,” versicherte er ihm.

“Verstehen Sie jetzt, warum es für uns unklug wäre, in Gesellschaft des anderen zu bleiben?” Sein Erster Offizier beharrte darauf. “Bis ich verlässlichere Methoden gefunden habe, um meine Reaktionen zu kontrollieren, ist meine potenzielle Unbeständigkeit eine Gefahr für Sie.”

Für einen langen, unschlüssigen Augenblick starrte Jim ihn nur an. Dann ging ihm ein Licht auf.

“Sie haben Angst, dass Sie wieder völlig überschnappen und wieder versuchen, mir an die Gurgel zu gehen, nicht wahr?” fragte er. Spock wollte seinen Blick nicht erwidern.

“Das ist eindeutig möglich,” sagte er lediglich.

Jim schüttelte den Kopf. “Ich denke nicht, dass es schon so weit mit Ihnen ist,” bemerkte er in der Ansicht, dass – ungeachtet seiner persönlichen Präferenzen in dieser Sache – ein kurzer verbaler Schlagabtausch nicht an die angestaute Wut herankam, die Spock nach dem Tod seiner Mutter gezeigt hatte. Nicht einmal annähernd. Immer noch schnell denkend, platzte er heraus: “Und außerdem, wenn überhaupt, sieht es für mich so aus, als brauchten Sie einen Freund in Ihrer Nähe.“

Spocks Ausdruck veränderte sich augenblicklich von Reue zu Verwirrung. Es war kaum merklich und schwer zu erkennen, aber Jim sah es. Diese physische Bestätigung, dass er sich nicht einfach nur eingebildet hatte, dass sein Freund etwas ausdrückte und ‚sagte’, stärkte seine Zuversicht. “Das ist sinnvoll, Spock. Wenn Sie Probleme haben, sich selbst unter Kontrolle zu halten, dann ist es eine gute Idee, jemanden bei sich zu haben, der helfen kann. Sie wissen schon, um die Dinge im Auge zu behalten und dafür zu sorgen, dass keine Situation aus dem Ruder läuft,” begründete er, und garnierte dabei seine Argumentation mit seinem gewohnt unwiderstehlichen Charme, den er immer dann einsetzte, wenn er unbedingt seinen Kopf durchsetzen wollte. Aber der Halbvulkanier sah immer noch nicht überzeugt aus. Jim zerbrach sich den Kopf, um weitere Gründe zu finden. “Äh, zumal als Ihr Captain,” sagte er. “Es… wäre vernünftig für mich, Sie wissen schon, über Ihren – äh – Geisteszustand Bescheid zu wissen. Da sie ja mein Erster Offizier sind, oder? Ich meine, wenn mir irgendwas passiert, dann tragen Sie die Verantwortung für das Schiff, nicht wahr? Also muss ich mir sicher sein, dass Sie das bewältigen können.”

Da. Das hörte sich vollkommen logisch an, oder?

Spock erstarrte bei der Erwähnung ihrer jeweiligen Rollen als Captain und Erster Offizier. Für einen Moment befürchtete Jim, dass er ihn mit dem Verweis auf die Dienstpflicht vor den Kopf gestoßen hatte. Ungeachtet dessen, obwohl er angespannt schien, als er antwortete, zog er sich zumindest nicht wieder in sein vollkommen undurchdringliches Schneckenhaus zurück. “Ihre Argumentation hat etwas für sich,” gab er mit deutlichem Widerstreben zu.

Jim klatschte in die Hände, der Klang war im Zimmer seltsam laut. Er merkte, dass sich die Spannung in seiner Brust ein wenig löste. “Gut. Das wäre also geklärt,” sagte er. “Wir bleiben zusammen. Also, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich will frühstücken. Lassen Sie mich nur noch duschen, danach können wir uns auf die Suche nach Waffeln oder sonst etwas machen.”

Er überließ seinen leicht verwirrten Ersten Offizier sich selbst und ging, um sich endlich der Überbleibsel einer unangenehmen Nacht zu entledigen. Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare und fragte sich, seit wann er so nachgiebig und leicht verletzbar war. Das war nun eine verwundbare Stelle – Spock konnte ihm offenbar mit nur wenigen Sätzen den Wind aus den Segeln nehmen. Kein Spaß. Er fragte sich, ob sie vielleicht nicht doch einfach getrennte Wege gehen sollten…

Das würde ihm vermutlich auf lange Sicht viel Ärger ersparen. Außerdem, wenn sie sich jetzt voneinander abwendeten, würden sie sich immer noch eine gutes Dienstverhältnis erarbeiten können. Das war ein Gedanke, der, wie Spock gesagt hatte, ‚etwas für sich hatte’...

Aber Jim wollte nicht. Ein Teil von ihm fühlte sich, als ob er von dem Wirbel unvorhergesehener Beleidigungen, den er aushalten musste, ausgeschlachtet und zerlegt worden wäre – und trotzdem, er wollte nicht.

Daher entschied er sich, einfach nicht mehr daran zu denken, und ließ sich andere Dinge durch den Kopf gehen. Er musste seiner Mutter, wie versprochen, ein Nachricht schicken – selbst wenn sie es wahrscheinlich schon vergessen hatte. Aber er hatte ihr gesagt, dass er es machen würde. Bones erwarte auch, dass er ihm irgendwann ein paar Zeilen schrieb, also sollte er das wohl mal erledigen. Dann sollte er sich auch noch bei der Sternenflotte melden, um den derzeitigen Status der Enterprise zu erfahren.

Er warf einen Blick in den Spiegel und bemerkte die sichtbaren blauen Flecken, die noch nicht abgeheilt waren. Seine Wange hatte einen kräftigen, unschönen Violettton. Aber immerhin war die Schwellung seiner Lippe weg und die Beule auf seiner Stirn war nicht zu auffällig, solange er den Kopf in die richtige Richtung hielt.

Mist. Wem machte er da was vor? Er sah aus, als hätte er sich geprügelt. Auf keinen Fall würden sie das nicht bemerken.

Dennoch machte er sich so gut wie möglich sauber. Als er einige Minuten später aus dem Badezimmer kam, sah er, dass Spock die Kerzen weggeräumt und das Licht angeschaltet hatte und nun geduldig auf ihn wartete.

“Ich hatte erwogen, einfach zu gehen, während Ihre Aufmerksamkeit abgelenkt war,” teilte ihm Spock mit.

“Ich bin froh, dass Sie es nicht getan haben,” erwiderte Jim mit einem Grinsen. Hu, an diese Möglichkeit hatte er gar nicht gedacht. Das war unüblich für ihn, alles in allem. Seine Kopfschmerzen setzten ihm wahrscheinlich mehr zu, als er dachte.

Spock zeigte ihm nur eine hochgezogene Augenbraue, ein Bild vollkommener Gelassenheit – trotz seiner gegenteiligen Behauptungen – und ging neben Jim her, als sie das Zimmer verließen. “Also, wollen Sie immer noch nach San Francisco zurückkehren oder wollen Sie lieber hier mehr Zeit verbringen?”, fragte er und dachte sich, dass weniger als ein Tag nicht wirklich viel Zeit war für Besichtigungen.

“Es wäre ratsam für mich, etwas Abstand zu nehmen von… den Reaktionen, die dieser Ort hervorgerufen hat,” antwortete Spock aufrichtig.

Oh. Genau. Wenn man versuchte, seinen Gefühlen auszuweichen, dann war die Heimatstadt der toten Mutter wohl nicht der beste Platz dafür, vermutete Jim. Besonders wenn es auch die Stadt der weniger tollen erweiterten Verwandtschaft war.

“Dann also San Francisco,” stimmte er zu. Seine Laune wurde etwas besser, da die frische Luft ihn richtig munter zu machen schien und den dumpfen Schmerz in seinem Kopf linderte.

Spock sagte nichts weiter dazu, als sie sich auf die Suche nach einen guten Platz für das Frühstück machten. Jim weigerte sich rundweg, etwas anderes als von Hand zubereitetes Essen zu verzehren, solange es ihm noch möglich war. Aber auch wenn er still blieb, schien er sich unbewusst zu entspannen, die Anspannung um seine Augen milderte sich zu bloßer Ausdruckslosigkeit.

Jim wollte das beginnende Wiederaufleben ihrer Freundschaft nicht zerstören, aber als sie ein kleines Lokal gefunden hatten, das sehr feine selbstgemachte Waffeln mit Sirup anbot, merkte er, dass ihm eine Frage eingefallen war. Und diese wollte ihn nicht mehr loslassen, nicht einmal als er sein Essen mit einer unverschämt großen Menge an Schlagsahne eindeckte und dann versuchte Spock zu belustigen, indem er sich etwas davon direkt in die Nase spritzte. Was denn? Das hatte Eindruck bei seinen Freunden gemacht, als er zehn war. Soweit überhaupt von Freunden die Rede sein konnte.

Er hätte schon einige Male beinahe gefragt, hielt dann aber immer wieder inne, um seine Neugier unter großer Mühe in Zaum zu halten, stattdessen stellte er dann alberne Fragen wie ‚Essen Vulkanier denn Milchprodukte?’ und ‚Warum habt ihr euch eigentlich alle auf dieselbe Frisur geeinigt?’.

“Jim,” sagt Spock schließlich. “wenn Sie eine begründete Anfrage haben, dann würde ich vorschlagen, dass Sie diese stellen.”

Gut. Soviel zum Thema Feingefühl. Nicht dass das jemals zu seinen Stärken gezählt hätte, aber das war ziemlich peinlich. Er räusperte sich und erwog, dass er - darauf angesprochen - es genau so gut einfach wagen könnte. “Sie und Uhura…” begann er und bemerkte Spocks leichte Anspannung aus dem Augenwinkel. Er brach ab. “Ist egal. Tut mir leid.”

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Essen zu, sofort bedauerte er, dass er überhaupt etwas gesagt hatte. Er konnte fast fühlen, wie Spocks Augen Löcher in seinen Kopf starrten, aber er schaute nicht auf, um es sich bestätigen zu lassen – er zog es vor zu denken, dass es womöglich nur seine Fantasie war.

“Vervollständigen Sie Ihre Frage,” sagte Spock nach einem Moment, und daraufhin blickte Jim auf. “Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass ich sie beantworte. Aber fragen Sie.”

Sein Mund wurde ungewöhnlich trocken bei dem Versuch, in die dunklen Augen zu schauen, und er erinnerte sich undeutlich an einen Moment vom Vortag, als das Sonnenlicht und Spocks Konturen auf unerklärliche Weise zusammengewirkt hatten, um ihm den Atem zu rauben. “Was ist zwischen Ihnen beiden passiert?” stieß er hervor, und entschied sich sofort, genauer zu werden. “Ich meine, haben Sie – Sie wissen schon – den ‚Fokus’ verloren und ihr die Meinung gesagt oder so ähnlich?” Es war ihm in den Sinn gekommen, dass Spocks Probleme womöglich der Grund waren für die angespannte Szene, die er in der Shuttlebucht mitbekommen hatte.

Spock schien für einen Moment über die Frage nachzudenken, aber tatsächlich war sein Ausdruck vollkommen unergründlich. Jim vermutete nur, dass er sich eine Antwort überlegte, da es nicht viel mehr gab, was er hätte tun können. Außer vielleicht sich wenig schmeichelhafte Gedanken über den Captain seines Schiffs zu machen. Er rutsche unbehaglich auf seinem Sitz hin und her.

“…In gewisser Hinsicht,” gab Spock nach einer Weile zu, was Jim überraschte, der fest überzeugt gewesen war, dass er es weder bestätigen noch abstreiten würde. “Meine Beziehung mit dem Lieutenant ist immer schon ein wenig unbeständig gewesen. Die Ansichten von Vulkaniern und Menschen zu romantischen Interaktionen tendieren dazu, in bestimmten Kernpunkten weit voneinander abzuweichen. Dies hat sich wiederholt als nachteilig für unser Verständnis füreinander herausgestellt. Die logischste Vorgehensweise war daher diese Beziehung zu beenden, da sie sich als unbefriedigend für uns beide erwiesen hatte.”

“Also… haben Sie sich getrennt?” stellte Jim klar. Spock neigte den Kopf.

“Der Prozess wurde durch den Vorfall mit Nero etwas verlangsamt. Sie empfand es nicht als umsichtig, unser Liebeswerben zu beenden, während ich solch eine... unerfreuliche Folge von Ereignissen zu überstehen hatte. Aber unsere Trennung war bereits unvermeidbar, sogar zu diesem Zeitpunkt,” erklärte er. Dann zog er die Augenbrauen leicht nach oben und wandte sich seinem eigenen Teller zu, scheinbar nahm er dabei absichtlich eine sorglose Haltung ein. “Ich weiß natürlich von Ihrem schon länger bestehenden Interesse an ihr. Sollten Sie eine intimere Beziehung eingehen wollen, brauchen Sie sich von meiner Gegenwart nicht beeinträchtigen zu lassen.”

Oh ja. Uhura war verdammt heiß. Jim hätte fast laut über sich selbst gelacht – es war schon eine Weile her, seit er daran gedacht hatte. Es war nicht so, dass er plötzlich blind in Bezug auf schöne Frauen geworden wäre oder so etwas, aber nachdem er den Lieutenant im Transporterraum mit Spock küssen gesehen hatte, hatte er endgültig aufgeben. Wenn sie offensichtlich auf Spock stand, dann war er soweit davon entfernt, ihr Typ zu sein, dass er ebenso gut eine geschlechtslose Amöbe hätte sein können. Es war auch höchst unangebracht, mit seinem Leitenden Kommunikationsoffizier zu flirten, während er auf der Brücke Dienst tat, also hatte er sein Hirn strikt angewiesen, während des Dienstes nicht Richtung Hose zu rutschen. Da zu 90% der Zeit die Brücke der einzige Ort war, wo die beiden mittlerweile miteinander zu tun hatten, hatte das seine aussichtslose Vernarrtheit auf wirksame Weise beseitigt.

Mit einem Achselzucken sagte er das Spock

“Warum haben Sie dann gefragt?” fragte Spock, sichtbar ratlos. Mit dieser speziellen Frage konfrontiert, erkannte Jim, dass er auch ein wenig perplex war.

“Ich weiß nicht,” gestand er schließlich. “Ich denke, Sie beide haben immer alles so geheim gehalten, das hat mich neugierig gemacht, was da los war.”

Er hatte ein paar Schwierigkeiten, den Blick zu deuten, den Spock ihm daraufhin zuwarf. Er war von einem kurzen Ausatmen begleitet. “Ich werde mich bemühen, dieser Eigenschaft von Ihnen in Zukunft zuvor zu kommen,” bemerkte Spock, bevor er die Flasche mit dem Ahornsirup für eine beiläufige Betrachtung herumdrehte. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit bewegte sich hinter dem getönten Glas, das sie einschloss und in sanftem Kontrast zu den langen blassen Fingern des Vulkaniers stand. Jim schnaubte. “Oh, als würden Sie nie bei etwas neugierig werden,” warf er ihm scherzhaft vor. “Sie sind Forscher. Es ist praktisch Ihr Job, Fragen zu stellen.”

Spock stritt es nicht ab. “In der Tat,” stimmte er stattdessen zu. “Ich muss zugeben, dass meine wissbegierige Veranlagung sich oft als nachteilig für das logische Vorgehen meines Verhaltens erwiesen hat. Glücklicherweise ist die Aneignung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Einsichten eine nützliche Beschäftigung – was mehr ist, als ich das von Ihrer eigenen Vorliebe sagen kann, das Privatleben von einzelnen Crewmitgliedern zu erforschen.“

Jim hatte langsam damit begonnen, sich etwas Schlagsahne in den Mund zu spritzen, während Spock redete, und jetzt hustete er das meiste davon wieder aus. Ich bin vielleicht ein neugieriger Mistkerl, aber wenigstens setze ich es zum Vorteil der Sternenflotte ein? Hatte er das wirklich gesagt?, fragte er sich. Ein Blick in Spocks Augen bestätigte es.

Ja. Ja, hatte er.

“Ach, kommen Sie schon,” wandte Jim ein, er benutzte seine Serviette, um seine Atemwege und das Gesicht zu reinigen, so dass er überhaupt wieder im Stande war zu sprechen. “Ich wette, Sie werden auch neugierig bei Leuten. Sie drängen dann nur nicht so wie ich,” stichelte er.

Spock schaute ihn von oben bis unten an, eine erleichternder Funke von Heiterkeit war da in seinem Verhalten, als er seine Bemerkung abzuwägen schien. “Sie haben nicht ganz Unrecht,” stimmte er schließlich zu. “Ich muss zugeben, dass die Problematik ihres “Auto-und-Klippen”-Zwischenfalls... mich fasziniert hat. Ihre entschiedene Vermeidung des Themas ist uncharakteristisch, besonders angesichts Ihrer offenen Haltung gegenüber der Mehrheit Ihrer Jugendstreiche.”

Er sagte es in einer derart typischen, gelassenen, Spock-mäßigen Art, dass Jim für einen Moment nicht einmal begriff, was er überhaupt gesagt hatte, oder die eigentliche Frage und Aufforderung zu einem Kommentar bemerkte. Als er darauf kam, spürte er allerdings einen unangenehmen Anstieg von Nervosität und Beklommenheit. Über den Tisch hinweg betrachtete Spock ihn in einer ruhigen, abwartenden Art und Weise. Er vermaß seine Reaktion.

Für eine ganze Weile saß Jim einfach nur da, er beobachtete Spock, wie dieser ihn beobachtete. Dann seufzte er tief und schob seinen Teller weg. Klirrend legte er die Gabel beiseite und lehnte sich dann zurück gegen die Plastikklappe seines Sitzes. Er kratzte sich am Hinterkopf und fuhr mit den Zähnen über seine Unterlippe, er dachte nach. “Es ist nicht wirklich wichtig”, sagte er, angespannt und abwehrend.

Spock gab keine Antwort. Er musste es nicht. Sie sahen beide den gänzlichen Widerspruch in der Aussage – wenn es nicht wichtig wäre, dann hätte er es einfach erzählt.

Nein. Die Karten lagen offen auf dem Tisch. Er hatte Spock den ganzen Morgen über ausgequetscht, und trotz einiger Aufs und Abs war sein Erster Offizier ihm entgegengekommen. Die Frage, die aufgeworfen worden war, war ob das auf Gegenseitigkeit beruhen würde oder nicht. Jim wollte nicht darüber reden. Aber er wollte auch nicht verlieren, was er an geringem Fortschritt erreicht hatte. Er war vor die schwierige Frage gestellt, sich zu öffnen oder zu verschließen, und beides hatte seinen eigenen verborgenen, kleinen Schrecken.

Es lag ihm auf der Zunge, eine Absage zu erteilen. Er fing an damit. Aber das kurze Aufflackern von Enttäuschung, das er in seinem Freund sah, während er aß, ließ ihn zögern und unterband den Reflex auszuweichen.

Er schloss seine Augen.

Verdammt.

Und dann, einen Moment darauf, als er sie wieder öffnete, heftete er seinen Blick auf Spock und erzählte von einem sehr unangenehmen Vorfall.
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