Kapitel 5 - veröffentlicht -




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Kapitel 5 - veröffentlicht -

Beitragvon readonly1956 » Di 15. Sep 2009, 21:03

Jetzt war es amtlich. Jim war ein Idiot.

Er hatte nun mehrere Monate auf der Enterprise verbracht, und obwohl dieser Teil seines Lebens vergleichsweise klein war, hatte er sich daran gewöhnt, dass alles in erschreckender Geschwindigkeit ablief. Bei Außenmissionen auf verschiedenen Planeten waren Crewmitglieder nur einen Kommunikatorknopf weit vom Kontakt zum Schiff entfernt. Man verirrte sich doch nicht, selbst wenn man mit der Welt, auf der man sich befand, nicht im Geringsten vertraut war, weil ein ganzes Netzwerk von Leuten einen im Auge behielt. Den Rückweg zu finden war nur eine Frage von „beamt mich hoch.“ Aber die Enterprise war im Raumdock, die Kommunikationssysteme außer Betrieb und die Mannschaft im Urlaub.

Also was hatte Jim getan? Er war in die Nacht hinausgerannt mit nichts als seinen Kleidern am Leib und einem einfachen Datapad, das die Zeit angeben konnte, Informationen zur Verfügung stellte, die vorher einprogrammiert worden waren, und jeder Menge sonst nichts. Dann war er auf ein Wohnviertel einer ihm praktisch unbekannte Stadt zu zugesteuert und durch die Straßen gewandert um nachzudenken. Inzwischen hatte das öffentliche Transportsystem den Betrieb eingestellt.

Es war kalt. Es war dunkel. Er war sich nicht einmal sicher, ob er in die richtige Richtung ging. Jetzt fehlte nur noch ein riesiges Monster, das aus dem nächsten unschuldigen Rasenstück sprang und begann, ihn zu jagen, nur um sicherzustellen, dass er es komplett versiebt hatte.

Kein Monster erschien, aber er fühlte den Druck des Tages auf seinen Schultern. Bis auf den stetigen Verkehr waren die Straßen um ihn herum still; die ruhigen Familienheime brachten offensichtlich keine nächtlichen Wanderer hervor. Oder zumindest hatte er nicht das Glück, zufällig einen zu treffen. Die Dunkelheit wand sich unerfreulich durch Straßen, die beunruhigend fremdartig geworden waren, und so sehr er es hasste, es zuzugeben, sein Herz bewegte sich unaufhaltsam Richtung Kehle. Aus einer Stunde des Unherwanderns wurden zwei. Er wollte schon ein Fahrzeug von der Straße heranwinken, als ihm ein Lichtschimmer ins Auge fiel – nicht die normalen, gedämpften Lichter der vielen Häuser, die er passiert hatte, sondern eher ein farbigeres Spektrum.

Er ging weiter und war zutiefst erleichtert, als die bedrückend zusammengedrängten Häuser Platz für ein kleines Gewerbegebiet machten. Viele der Geschäfte waren geschlossen, aber glücklicherweise gab es in einem Häuserblock eine Late-Night-Bar. Als er sich näherte, hörte er die vertrauten Geräusche von Leuten, die sich unterhielten und das klingen von Gläsern. Der Anblick von Bewegung durch das Fenster vertrieb einen Teil der schleichenden Furcht, die sein Rückgrat hinaufgekrochen war . Er ging hinein und fühlte sich wie ein Mann, der gerade zufällig eine Oase in der Wüste gefunden hatte.

Einige der Gäste sahen neugierig auf, als die Tür sich öffnete, aber niemand schien ihn zu erkennen. Doppelt erleichtert ging Jim hinüber zur Bar, wo eine ziemlich reizlose Frau Drinks servierte.

“Was kann ich Ihnen bringen?” fragte sie und musterte ihn kurz.

“Anweisungen”, sagte er lächelnd, während er auf einen freien Stuhl sank. Bei ihrem verständnislosen Blick beschloss er zu erklären. „Ich habe das letzte Shuttle verpasst. Ich muss zurück in die Innenstadt, wo die Reiseunterkünfte sind…“. Er zog das Datapad hervor und rief die Übersichtskarte des Gebiets auf, zu dem er wollte. Dann hielt er es ihr hin.

“Ich sehe Ihr Problem,” stimmte sie zu und nahm ihm ohne zu fragen das Datapad aus der Hand. „Was ist passiert? Hat ihre Freundin sie rausgeworfen, weil sie sich daneben benommen haben?“

Jim lachte humorlos, sackte ein wenig gegen die Bar und fuhr sich mit müder Hand über den Hinterkopf. „So ähnlich,“ antwortete er. Die Bardame programmierte die nötigen Informationen in sein Datapad. „Ich kam her, weil ich Ärger suchte. Aber dann beschloss ich, dass ich eigentlich gar keinen wollte. Es hat allerdings ganz schön viel Zeit gefressen.“

“Klingt nach einer interessanten Story,” bemerkte sie und gab ihm das Pad zurück. Er salutierte scherzhaft.

„Ist es,“ stimmte er zu. „Aber ich denke, ich werde sie für mich behalten.“

Aus irgendeinem Grund schien sie das zu amüsieren. Lächelnd sagte sie ihm gute Nacht und er wandte sich zum Gehen, wobei er das Datapad checkte um zu sehen wie viel er noch vor sich hatte. Es war weniger schlimm als befürchtet – anscheinend war er wenigstens in die richtige Richtung gegangen.

Er hätte daran denken sollen, dass es in einer Bar im allgemeinen ratsam ist aufzupassen, wo man hintritt. Selbst wenn in dieser Bar nur Menschen sind und daher wahrscheinlich kein temperamentvoller Andorianer dabei ist, der mit Vorliebe Leuten in die Rippen boxt. Obwohl das einer seiner interessanteren Barkämpfe gewesen war, rein vom Kampfaspekt her gesehen. Nichts kam ganz an die Rauferei mit den Sternenflottenkadetten heran, die zu seiner Begegnung mit Pike geführt hatte.

Er wusste jedoch, dass er einen Fehler gemacht hatte, als seine Schulter mit etwas hartem und unnachgiebigem zusammenstieß, auf diese scharfe, unangenehme Weise, die entsteht, wenn man sich schnell bewegt und keine Hindernisse erwartet. Er zuckte zusammen und wich ein paar Schritte zurück. Seine Hand griff nach seiner schmerzenden Schulter. Er sah auf mit einer Entschuldigung auf der Zunge… aber er kam nicht dazu, sie auszusprechen.

Der Kerl, der finster auf ihn herabsah, war groß. Klingonengroß. Und er sah nicht erfreut aus.

“Pass auf, wo du hingehst,” sagte er in diesem Ton. Jim stöhnte innerlich. Oh. Oh, komm schon. Ein Mann konnte es schaffen Tage in einer Bar zu verbringen ohne jemanden zu finden, der Streit suchte. Also warum schaffte er es, eine Bar zu betreten, mit absolut keiner Absicht, irgend etwas anzufangen, und bekam Ärger auf einem Silbertablett serviert, wenn er es ganz bestimmt nicht wollte?

Er nahm das innerliche Äquivalent eines tiefen Atemzugs und lächelte den Kerl unsicher an. „Du hast recht. Sorry,“ stimmte er in möglichst beschwichtigendem Ton zu. Selbst wenn du das vermutlich mit Absicht getan hast, blöder Affe, fügte er für sich selbst hinzu. Dann drehte er sich weg, um zu gehen, und hoffte, der Typ würde den Hinweis verstehen und ihn einfach in Ruhe lassen.

Eine fleischige Faust, die seine Jacke packte, belehrte ihn schnell eines besseren.

“Ich habe dich an der Bar gehört,” sagte Mr. Gorilla und versuchte, bedrohlich zu klingen, klang aber eher, als sei er heiser. „Du hast gesagt, du bist hergekommen, um Ärger zu suchen. Na, warum sollte einer zu unserer netten kleinen Lichtung kommen, um Ärger zu suchen?“

“Ah,” sagte Jim und stellte fest, dass er zwar sehr begabt darin war, Schlägereien anzufangen, aber schmerzlich untalentiert, sie zu stoppen. Besonders wenn er nicht einfach seinen Rang ausspielen konnte. „Schau, du hättest genauer hinhören sollen, ich habe auch gesagt, dass ich meine Meinung geändert habe.“

Komm und schlag mich, forderte eine verräterische Stimme aus seiner Vergangenheit den Mann heraus. Ich will immer noch etwas zusammenschlagen!

Das wollte er auch. Aber irgend ein Kerl in einer Bar, der locker zweimal so groß war wie er und nichts zu tun hatte mit gewissen gemeinen Nachrichten an gewisse Erste Offiziere, war kein gutes Ziel. Besonders weil Jim durch und durch erschöpft war.

“Du nennst mich einen schlechten Zuhörer?” fragte der große Mann, der eindeutig die Gelegenheit nutzte, einen Fremden zu verprügeln. Wahrscheinlich waren ihm die Einheimischen ausgegangen, die dumm genug waren, auf seine Tricks hereinzufallen.

Nicht lachen, nicht lachen, nicht lachen… selbst wenn das die dümmste Provokation ist, die du je von einem nüchternen Mann gehört hast, um alles in der Welt nicht lachen.

Jim lachte.

Ah, Scheiße.

Er duckte sich und versuchte so dem Hieb auszuweichen, schaffte es aber nicht ganz; wenigstens streifte der Schlag nur seine Stirn, anstatt ihm die Nase zu zertrümmern. Unangenehme Lichter blitzten vor seinen Augen, während er aus seiner Jacke und damit aus dem Griff des Mannes schlüpfte, um Abstand zwischen sie zu bringen. Aber sein Angreifer ließ das leere Kleidungsstück schnell fallen und packte ihn stattdessen hinten am Hemd, riss ihn scharf zurück, so dass er in die Bar krachte. Ein weiterer Schlag zielte auf seinen Kopf, aber diesmal duckte er sich erfolgreich.

Schön, du willst einen Kampf? So kann ich Dampf ablassen, dachte er wütend, während er die Beine des Mannes angriff und versuchte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die Bardame rief ihnen etwas zu, aber er hörte sie nicht richtig durch das Rauschen in seinen Ohren, als er seinen Gegner auf den nächsten Tisch warf. Seine Faust traf den Kiefer des Mannes mit einem vertrauten und befriedigenden ‚Krach’.

Aber sein Vorteil war nur von kurzer Dauer. Eine Hand schloss sich um sein Hemd und zerrte ihn nach vorne, so dass sie mit den Köpfen zusammenkrachten und Jim erneut Sterne sah. Schmerzhafte Sterne. Adrenalin durchströmte Jim, als er taumelte. Er packte einen leeren Bierkrug vom nächsten Tisch und traf den Schädel des anderen, während dieser sich vorwärtsbewegte, um ihn noch mehr herumzustoßen. Dann trat er ihn gegen sein Knie und schickte ihn erneut zu Boden.

Sein gefallener Gegner griff nach einem Stuhlbein, packte es und schwang den Sitz gegen Jims Kopf. Scheiße, dachte Jim, drehte sich nach hinten und wich aus, als der Sitz herabsauste und seine linke Hand traf. Beim Kontakt explodierte der Schmerz. Schnell reagierte er, schloss seine andere Hand um den Stuhlrahmen und stieß ein Stuhlbein gegen den Solarplexus seines Widersachers.

Der Kampf setzte sich fort in einem brutalen Wettstreit zwischen Jims Beweglichkeit und Einfallsreichtum und dem schieren Größenvorteil des anderen Mannes, bis das farbige Flackern von Polizeilichtern die Fenster der Bar erleuchteten und beide Kämpfer dagegen verblassten.

Zum x-ten Mal fluchte Jim innerlich. Er hatte sich vorgenommen, die Nacht nicht im Knast zu verbringen, verdammt! Das würde in seiner Sternenflottenakte nicht gut aussehen, und er hatte aktiv versucht, das Ding sauber zu halten. Na gut, so sauber er konnte. Eine Reihe Schimpfwörter strömten aus seinem Mund, und er starrte seinen Gegner wütend an. Gleich darauf öffnete sich die Tür der Bar und beide wurden unsanft auseinander gezerrt.

“Ich habe nicht angefangen,” protestierte Jim mehr oder minder symbolisch. Er kannte das. Niemand gab jemals zu, angefangen zu haben, und so wurden neun von zehn Mal einfach beide Beteiligte über Nacht in die Arrestzelle geworfen.

Er war regelrecht schockiert, als die Bardame ihn verteidigte.

“Das stimmt, Officer. Er hat sich nur verteidigt,“ stimmte sie zu. Ach, sieh mal an, dachte Jim. Anscheinend ist nicht jeder in diesem Stadtteil ein vollkommenes Arschloch.

Wie sich herausstellte, war die Bardame nicht nur ‘kein vollkommenes Arschloch’, sie war außerdem die Besitzerin des Gebäudes, so dass mit ihrer Rückendeckung nur der andere Kerl über Nacht eingesperrt wurde. Jim war überrascht und erleichtert, als er genötigt wurde, sich an die Bar zu setzen, und einen Eisbeutel für seinen hämmernden Kopf bekam. Die Frau kicherte.

“Na,” sagte sie. „Sie haben vielleicht keinen Ärger gesucht, aber anscheinend hat er Sie trotzdem gefunden.“

“Das passiert andauernd,” stimmte er mit anschwellender Lippe zu. Sie schüttelte den Kopf.

“Darauf könnte ich wetten. Sie sehen aus, als seien Sie der Typ dafür,“ bekräftigte sie. Er antwortete nur mit einem unbehaglichen Grunzen. Es war keine gute Idee, seine linke Hand zu schließen. Die Schwellung war so groß wie ein Ei, ganz gelb bis auf die leuchtend roten Streifen, wo die Haut abgeschürft war.

„Sie sollten in ein Krankenhaus gehen und sich vernünftig behandeln lassen,“ bemerkte die immer noch namenlose Frau. „Gibt es jemanden, den ich anrufen kann, damit er kommt und Sie abholt?“

Jim zögerte. Er lehnte sich immer noch in die betäubende Kälte seines Eisbeutels und fand, dass er sich auf äußerst unsicherem Gebiet befand. Die einzige Person, die er in der Stadt kannte, war Spock. Spock konnte ihn nicht abholen, er hatte schließlich kein Fahrzeug, aber er war ziemlich sicher, selbst wenn er noch mieser Stimmung war, dass sein erster Offizier inzwischen bemerkt hatte, dass er noch nicht zurück war. Was würde er wohl denken? Dass Jim sich in eine Schlägerei gestürzt hatte, wie üblich? Dass er ein nettes Mädchen für die Nacht gefunden hatte, um ihm die geforderte Ruhe zu verschaffen? Oder dass Jim abgehauen war, weil… weil er, wie seine dreimal gottverdammten Verwandten, nicht mit ihm zusammen sein wollte?

Sofort fand er sich in einem Konflikt. Er wollte nicht, dass Spock erfuhr, dass er in einen Kampf verwickelt war. Aber gleichzeitig wollte er auch nicht, dass Spock dachte, er gehe ihm jetzt absichtlich aus dem Weg. Die Frage war daher: was wollte er eher beschädigen – die Meinung seines ersten Offiziers von ihm, oder dessen Wahrnehmung des Gegenteils?

Die Antwort überraschte ihn tatsächlich ein wenig.

“Niemand kann mich abholen,” sagte er schließlich. „Aber ich sollte jemanden wissen lassen, wo ich bin.“

“Gut,” stimmte die Bardame zu und führte ihn zu einem Computerterminal. „Aber ich glaube nicht, dass Sie in diesem Zustand allein herumlaufen sollten. Sind Sie sicher, dass niemand Sie abholen kann?“

Jim tat ihre Besorgnis ab. „Ich komme zurecht,“ beharrte er. In Wahrheit war er mehr als nur ein wenig entmutigt bei der Aussicht, sich bei Nacht in einer unbekannten Stadt durchzuschlagen, zumal er aussah, als ob er versucht hätte, einem Bären eine Schleife anzustecken, aber es blieb ihm nicht viel übrig.

Mit einer düsteren Vorahnung schickte er eine Nachricht an das Hotel, in dem er und Spock wohnten. Die Konsole piepte nur zweimal, dann leuchtete das vertraute, ernste Gesicht seines ersten Offiziers auf dem Bildschirm auf.

Spocks Augen flackerten auf und ab, als er Jims zustand sah. Sein Kiefermuskel straffte sich. „Wo sind Sie?“, fragte er prompt, bevor Jim auch nur den Mund öffnen konnte, um zu sprechen. Er atmete tief ein und fragte sich, ob er sich den zornigen Unterton in der kühlen, neutralen Stimme nur einbildete.

“Das ist nicht wichtig,” sagte er müde. Aber durch den Bildschirm konnte er Spocks Finger mit hoher Geschwindigkeit auf der Tastatur arbeiten sehen. „Was tun Sie da?“, fragte er verwirrt.

“Ich verfolge das Signal zu seiner Quelle,” antwortete Spock direkt. „Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich werde Sie holen.“

“Spock, ich-“, begann Jim, aber seine Stimme brach ab, als er plötzlich mit finsterem Blick fixiert wurde.

“Ihre Entscheidungsfähigkeit ist eindeutig beeinträchtigt. Sie bleiben an Ihrem gegenwärtigen Aufenthaltsort, und ich werde Sie holen,“ wurde ihm mitgeteilt, in einem Ton, der keine Widerrede duldete. Dann brach die Verbindung ab und er starrte in stiller Verblüffung auf den leeren Bildschirm. Ein leiser Pfiff hinter ihm zog ihn aus seiner Starre.

“Ein sonniges Gemüt, oder?”, bemerkte die Bardame. Jim sträubte sich.

“Es ist eine kulturelle Sache,” sagte er verteidigend. Bei seinem Gesichtsausdruck hob sie beschwichtigend die Hand.

“Klar, sicher, kulturell. Wie Sie meinen,“ stimmte sie zu. Jim schämte sich ein wenig wegen seiner intensiven Reaktion und hörte auf, sie wütend anzufunkeln. Er sank über der Tastatur zusammen und fragte sich, ob er eine Gehirnerschütterung hatte. Dann sollte er besser nicht schlafen. Aber er war sehr müde.

Andererseits war das wohl nicht der beste Ort für ein Nickerchen.

“Ich nehme an, Sie warten auf ihn?” fragte die Wirtin. Jim zuckte die Achseln.

„Sieht so aus,“ sagte er. Trotz aller Aufregung war er in Wirklichkeit ein wenig erleichtert, dass Spock ihm keine Wahl gelassen hatte. Er kam, um ihn abzuholen, und das war’s. Jim hätte gehen können, aber das würde nichts daran ändern, dass Spock unterwegs war, also konnte er genau so gut warten. Es war nur die logische Vorgehensweise.

Er lächelte ein wenig über sich selbst und zuckte zusammen, als seine Gesichtsmuskeln dabei unangenehm spannten. Die Wirtin begann das Chaos aufzuräumen, das der Kampf hinterlassen hatte.

Im selben Moment begann er sich schuldig zu fühlen. Also ging er hinüber und versuchte ihr zu helfen, richtete umgeworfene Möbel auf und rettete unversehrt gebliebene Sachen. Die meisten anderen Gäste waren gegangen, als die Polizei kam, daher war es ruhig bis auf die eintönige Hintergrundmusik. Er versuchte leichte Konversation zu machen, gab es aber auf, als seine körperlichen Schmerzen all seine Aufmerksamkeit beanspruchten. Herumlaufen war offenbar nicht die beste Idee.

Als er sich bückte, um eine Flasche aufzuheben, schwankte er gefährlich, und seine Fähigkeit, die Balance zu halten, ließ ihn im Stich. Er ergab sich in sein Schicksal, unerfreuliche Bekanntschaft mit dem Fußboden zu machen. Da schloss sich ein Arm um seine Schultern und stützte ihn. Jim drehte sich überrascht um und sah sich Spock gegenüber.

Der warme Griff war beendet, sobald er wieder fest auf den Füßen stand.

Das ging schnell, dachte Jim und fragte sich, wie sein erster Offizier es geschafft hatte, so bald hier anzukommen. Spocks Blick überprüfte seinen Zustand, dann die Bar, dann wieder seinen Zustand, und schien seine sichtbaren Verletzungen rasch zu katalogisieren.

“Jim. Was haben Sie getan?”, fragte er.

Der Gedanke, wie ein unartiges Kind ausgeschimpft zu werden, ließ Jim zurückweichen. „Nichts,“ beharrte er. Spock hob eine offen skeptische Augenbraue bei dieser Behauptung. „Ich habe mich um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert. Wirklich! Diesmal ist es kein Mist!“

“Er sagt die Wahrheit,” sagte die Wirtin. Sie drehte einige Hocker zur Bar, anscheinend hatte sie beschlossen, das Lokal zu schließen, was auch sinnvoll war, nachdem fast alle Gäste gegangen waren. „Wie ich der Polizei schon sagte, er war es nicht…“

Jim hörte mit einem halben Ohr zu, wie die hilfsbereite Frau Spock über den Kampf unterrichtete. Er versuchte heraus zubekommen, was im Kopf des Halbvulkaniers vorging, aber Spock war noch undurchschaubarer als sonst, selbst für seine Verhältnisse. Jims Augen verengten sich, als er ihn beobachtete. Es hat ihn aus der Fassung gebracht,schloss er. Darum war er so besonders zugeknöpft – er unterdrückte seine Gefühle mit aller Gewalt, weil sie begannen, ihn zu erreichen. Spock, schlussfolgerte er, vermittelte ebenso viel mit dem, was er sich nicht anmerken ließ, wie mit dem, was er zeigte.

“Wenn das der Fall ist, sollten wir uns auf den Weg machen. Sie benötigen ärztliche Hilfe,“ sagte Spock, neigte kurz den Kopf in Richtung der Wirtin und ergriff zu Jims Überraschung seinen Arm, um ihn aus der Bar zu führen.

“Danke für die Hilfe!”, rief Jim der Besitzerin nach. Seine Haut kribbelte unter der ungewohnten Wärme, die von der Hand seines ersten Offiziers ausging. Die kalte Nachtluft, die ihn traf, als die Tür aufging, stand in scharfem Gegensatz dazu. Er fragte sich, wie spät es war. Weit nach Mitternacht auf jeden Fall.

Spock hielt immer noch seinen Arm, als er ihn in Richtung eines kleinen schwarzen Wagens zog, der untätig über dem Pflaster schwebte.

“Wo haben Sie den her?”, fragte Jim, als klar wurde, dass dies die Antwort darauf war, wie Spock so schnell herkommen konnte.

Der Halbvulkanier blickte starr geradeaus. „Glücklicherweise ist einer der derzeitigen Bewohner unseres Hotels ein tellaritischer Botschafter, der meinem Vater einen großen Gefallen schuldet. Ich war in der Lage, dieses Fahrzeug von ihm zu erlangen,“ antwortet Spock und öffnete ihm die Tür. Jim sträubte sich ein wenig.

“Ich bin kein Invalide,” beklagte er sich, glitt aber angesichts des steinernen Ausdrucks seines ersten Offiziers auf den Beifahrersitz. Er fragte sich, wo Spock fahren gelernt hatte, als dieser sich hinters Steuer setze. Es war zwar nicht besonders kompliziert, je moderner die Fahrzeuge wurden, desto einfacher waren sie zu bedienen. Jim zuckte die Schultern und dachte, es könnte sehr gut sein, dass Spock es sich gerade erst selbst beigebracht hatte. Intelligent genug war er, und es würde das Fahrerhandbuch erklären, das auf dem kleinen Bildschirm gerade geöffnet war.

Der Motor startete. „Hören Sie, Spock,“ sagte er und vermied bewusst jeden Augenkontakt, um diesen absichtlich ausdruckslosen Augen zu entgehen. „Ich brauche nicht wirklich ‚ärztliche Betreuung’. Es ist nichts, glauben Sie mir.“

“Aber es ist wirklich-!

„Protest gegen diese Entscheidung wird nichts erreichen. Da wir um Urlaub sind, ist Ihr Rang als Captain nicht in der Lage, mein Urteil außer Kraft zu setzen, und dieses Fahrzeug ist unter meiner Kontrolle. Es ist meine Entscheidung, dass es zu einer medizinischen Einrichtung fahren wird,“ wurde ihm streng mitgeteilt.

„Es sollte offensichtlich sein, dass Sie Ihre Energien besser der Aufgabe widmen sollten zu erklären, warum Sie es für angebracht hielten, in diesen Teil der Stadt zu reisen, und was genau Sie die ganze Nacht getan haben.“

Nun gut. Jetzt wurde Jim ärgerlich. Warum ging es Spock irgendetwas an, was er tat oder wohin er ging? Wie er selbst gesagt hatte, sie waren nicht auf der Enterprise. Das waren seine Ferien – wenn er sie damit verbringen wollte, in stockfinsterer Nacht herumzuwandern, war das seine Sache. Selbst wenn er es weniger aus Spaß daran getan hatte, sondern eher als idiotische spontane Auswirkung seines Temperaments.

„Vielleicht hatte ich einfach nur Lust, einen langen Spaziergang zu machen,“ sagte er ein wenig gehässig. Die Spannung breitete sich im Fahrzeug aus und wurde so dick, dass sie eine eigene Atmosphäre bildete.

“Sie lügen,” beschuldigte Spock ihn in gleichgültigem Ton. Jim ballte reflexartig die Fäuste und zischte, als seine linke Hand ihn schmerzhaft dafür bestrafte, seine Verletzung zu vergessen. Dunkle Augen musterten ihn bei diesem Geräusch.

“Sie haben angefangen,” schnappte Jim zurück. Der Schmerz besänftigte sein Temperament nicht gerade. Er bereute die Bemerkung sofort – sie hatte zuviel verraten, und es schien plötzlich, als sei ein Eisberg zwischen ihrem Sitzen erschienen.

“… Sie haben die Nachricht wieder hergestellt,” folgerte Spock und schien nicht überrascht. Obwohl das schwer zu sagen war, weil er die Lebhaftigkeit einer Friedhofsstatue angenommen hatte. Schweigen. Dann fragte er erneut: „Was haben Sie getan?“

Jim lehnte sich an den Rücksitz, sackte wenig elegant zusammen und drückte die Stirn an das kühle Fensterglas. „Wie ich sagte – nichts,“ antwortete er. Ein Teil seiner schlechten Laune verging und wurde wieder durch schiere Müdigkeit ersetzt. Er konnte mit dieser Achterbahn nicht mehr mithalten. Es machte ihn schwindlig. Mit einem Stoßseufzer schloss er die Augen und beschloss, es ihm einfach zu erzählen. „Ich war wütend. Wirklich, wirklich stinkwütend. Ich war aufgeputscht genug deren Haus anzuzünden oder so,“ gab er zu. „Aber ich kam dort an und konnte es nicht tun.“ Ein selbstironisches Lachen entschlüpfte seinen wunden Lippen. „Ich hab’s kapiert.“

Spocks Stimme war sehr ruhig, als er nach einem langen Augenblick sprach. „Was haben Sie ‚kapiert’?“, fragte er.

Jim winkte unbestimmt mit der Hand. „Dass ich nicht mehr dieser Typ sein muss,“ antwortete er. „Sie wissen schon – einer, der irgendetwas tut, egal wie dumm es ist, nur weil er es tun will. Ich hätte sie zwingen können, alles zurückzunehmen, aber das hätte nichts verändert, und es wäre schlechter Stil für einen Captain gewesen.“, Er lachte wieder. Nicht, dass es viel ausgemacht hätte. Er war trotzdem in eine Schlägerei geraten, und diese Schlägerei hatte noch nicht einmal einen besonders guten Grund gehabt.

Der Rest der Fahrt verlief schweigend. Jim hatte nicht die Energie, zu Spock hinüberzusehen, um herauszufinden, was er von all dem hielt. Er vermutete, selbst wenn er sich die Mühe machte, würde er es nicht mit Sicherheit sagen können. Also ließ er stattdessen einfach die Augen geschlossen und fragte sich, ob diese neue, reizvolle Freundschaft zwischen ihnen bleibenden Schaden genommen hatte. Ich wollte ihn aufmuntern, dachte er spöttisch. Stattdessen hatte er vermutlich alles nur schlimmer gemacht.

Er sah erst auf, als er fühlte, wie die Fahrt sich verlangsamte. Das vertraute Rot-Weiß eines medizinischen Gebäudes fiel ihm von der anderen Seite des Parkplatzes ins Auge. Verdammt, er hasste Krankenhäuser. Die Leute darin hatten die schlechte Angewohnheit, ihn gehörig zusammenzustauchen. Wenn Bones das tat, wusste er wenigstens, es lag daran, dass der Mann generell schlecht gelaunt war, und nicht, weil er Jim für einen Esel hielt. Selbst wenn er Jim manchmal doch für einen Esel hielt.

“Ihre Erleuchtung hätte sich als vorteilhafter für Sie erwiesen, wenn sie sich ereignet hätte, bevor Sie beschlossen, sich nach Einbruch der Dunkelheit in einem fremden Teil der statt zu verirren,“ bemerkte Spock. Seine Stimme überraschte Jim so sehr, dass er tatsächlich ein wenig hochschreckte.

„… Ich… nehme es an,“ stimmte er unsicher zu.

„Andererseits,“ fuhr Spock fort. „Angesichts der Tendenz, die ich bei den meisten Menschen beobachtet habe, einfach ihren Impulsen zu folgen, ist die Tatsache, dass Sie überhaupt zu einem so logischen Schluss kamen … beeindruckend.“

Jim fühlte, wie seine Kehle sich ein wenig verengte bei diesem unverhohlenen Lob. Das Gefühl verstärkte sich noch, als er Spock direkt ins Gesicht sah und feststellte, dass der kalte Griff der vulkanischen Selbstkontrolle sich etwas gemildert hatte und seine Augen ihn überraschend sanft musterten .

Das leise Klicken der sich öffnenden Fahrertür riss ihn aus dem Moment. Er hatte nicht einmal gemerkt, dass er den Atem angehalten hatte,als er sich zwang auszuatmen. Jim lächelte seinen ersten Offizier verlegen und halb-schmerzlich an. Dann stieg er ebenfalls aus. Er schwankte ein wenig, als ihm von der abrupten Positionsänderung schwindlig wurde, aber nach einem Moment stellte er fest, dass er gehen konnte, ohne zu stolpern. Spock ergriff seinen Arm nicht wieder, aber er beabsichtigte offenbar, nahe genug zu bleiben, um ihn notfalls auffangen zu können. Es war gleichzeitig beschämend und beruhigend.

Als sie das Krankenhaus betraten, setzte Spock Jim in einen Stuhl und ging, um eine Krankenschwester zu suchen. Jim hielt ein Auge auf ihn gerichtet, während er sich in dem Gebäude umsah, das sauber und hell war und diesen typischen Krankenhausgeruch hatte. Einige weitere Patienten warteten anscheinend, bis sie an der Reihe waren – ein Mädchen mit verbundener Hand und ein paar Jungs, die aussahen, als seien sie in eine ähnliche Schlägerei wie Jim verwickelt gewesen. Es herrschte eine Art effizienter Stille, nur gelegentlich unterbrochen durch das Quietschen von Schuhen auf dem glatten Boden oder den entfernten Geräuschen von Apparaten und Patienten. Eine ruhige Nacht.

Spock kam einige Minuten später zurück und setzte sich neben ihn. „Sie werden den Aufenthalt hier nicht lange ertragen müssen,“ sagte er und schaffte es, gleichzeitig distanziert und beruhigend zu klingen. Und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis die anderen Patienten weniger wurde und ein älterer Arzt seinen Namen aufrief. Sein Erscheinen wurde mit dem üblichen missbilligenden Ausdruck begrüßt.

„Waren Sie bei den anderen beiden?“, fragte der Mann schroff, als er Jim zu einer harten Bank in einem Winkel führte.

“Nee,” informierte Jim ihn fröhlich. Als es schien, dass keine weiteren Details zum Vorschein kommen würden, seufzte der Arzt und begann ihn zu untersuchen. Möglicherweise murmelte er etwas von „jungen Leuten“ und „Idioten“ in sich hinein, es konnte aber auch medizinischer Jargon sein.

“Ich glaube, er mag mich,” sagte Jim mit einem Bühnenflüstern zu Spock in dem bewussten Versuch, den Rest von Kühle zwischen ihnen mit Humor zu vertreiben. Spock hob eine Braue, schien aber ansonsten nicht geneigt, auf das Geplänkel einzugehen oder selbst eine geistreiche Bemerkung zu machen. Der Arzt rollte nur die Augen und listete dann die Diagnosen auf, einige recht geringfügige Verletzungen. Den schlimmsten Schaden hatte der Stuhl angerichtet, der seine Hand gestreift hatte – anscheinend waren ein paar Knochen gebrochen.

“Dann ist es ja gut, dass er meinen Kopf verfehlt hat,” witzelte Jim gedankenlos. Er übersah beinahe, wie Spocks Hand zuckte und seine Finger sich kurz verkrampften. Es wirkte wie eine aufgeregte Geste. Huch, dachte er und fragte sich, was sie ausgelöst hatte.

Der Arzt behandelte seine Verletzungen nicht allzu sanft, behielt ihn aber glücklicherweise nicht zur Beobachtung oder aus sonst einem lächerlichen Grund da. Jim war nur zu froh, dem Krankenhaus zu entkommen. Er hatte weniger Schmerzen, war aber immer noch ziemlich müde. Als sie ihr Hotel erreichten, konnte er sich kaum noch auf den Beinen halten. Mit einiger Erleichterung stolperte er in ihr Zimmer, kämpfte sich aus den am meisten hinderlichen Kleidungsstücken und brach dann mehr oder weniger auf dem schmalen Bett zusammen. Seine letzten Worte, bevor er einschlief, waren „Danke, dass Sie gekommen sind, um mich zu holen, Spock.“

Das letzte was er sah und was ihn am meisten erleichterte, war Spocks nachdenklicher Gesichtsausdruck.
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